März 21

Haushaltsrede 2023

Im Vorfeld der Sitzung fragte ich mich, ob es sich überhaupt noch lohnt in Zeiten voranschreitender Künstlichen Intelligenz eine simple Haushaltsrede über so etwas Spannungsarmes wie einen kommunalen Kreishaushalt selber zu schreiben, oder lieber gleich ChatGPT zu überlassen?

Verlockend wäre es natürlich schon, ohne großes Zutun im Handumdrehen eine Rede zu erhalten und ganz ehrlich, inhaltlich auffallen würde das doch bestimmt auch nicht. Die meisten Zuhörerinnen sitzen ja quasi „von Amts wegen“ oder aus beruflichen Gründen im Auditorium und müssen das Prozedere über sich ergehen lassen. Ich stelle es übrigens jedem an dieser Stelle frei zu gehen, sollte er oder sie keine Lust auf die – und ich erwähne das hier ausdrücklich vorher – politische Bewertung des Budgetentwurfs 2023 des Kreises Borken zu haben. Gerade für Mitglieder der Mehrheitsfraktion oder Landräte der CDU könnte es etwas ruppig werden. Sie sind also gewarnt und haben sicherlich auch schon gemerkt, dass ich mich gegen die Nutzung eines KI-Tools entschieden habe, oder doch nicht? Der Landrat hat im Dezember seine Rede begonnen mit: „Die Lage“ ganz dem neuen militärischen Duktus entsprechend, welcher sich seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24 Februar 2022 etabliert hat. Der Krieg dauert immer noch in unverminderter Härte an und ist leider Bestandteil unseres Lebens geworden. Glücklicherweise bestimmt dafür die Coronapandemie nicht mehr unseren Alltag, da sie vorerst für beendet erklärt wurde. Ich erwähne diese beiden Ereignisse explizit, da sie konkrete Auswirkungen auf den Kreis Borken hatten und haben, etwa in Form von Flüchtlingsaufnahmen oder gestiegenen Energiekosten, sowie zusätzlichen Belastungen unseres Gemeinwesens und auch der Verwaltung. Und an dieser Stelle möchte ich mich gleich mit einer der Kernaussagen aus der Rede des Landrats beschäftigen. Er führte aus, dass: „…die Gesetzgeber endlich Standards auf das Leistbare anpassen, statt sie immer weiter zu erhöhen…“ und dass Kreistagsmitglieder überdies die Erwartung haben, dass ihre Anfragen, Anträge und Prüfaufträge „mal eben“ abgearbeitet werden und das zu allem Überfluss auch noch fachlich fundiert!!! Da frage ich Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, was denken Sie sich eigentlich dabei? Wie können Sie es wagen der Verwaltung hier einfach umfangreiche Mehrbelastungen aufzubürden? Dafür sind Sie nicht in dieses Gremium gewählt worden, oder? Sie sind hier schließlich nur das oberste Willensbildungs- und Beschlussorgan des Kreises Borken und sollen die Tätigkeiten des Landrats überwachen. Von Anfragen oder Anträgen war da nie die Rede. Bitte berücksichtigen Sie das zukünftig! Insbesondere sollten Sie von irgendwelchen Anträgen absehen, da eins glasklar ist:

„…in der kommunale Familie gibt es keine Spielräume mehr…“,

denn die Kreisverwaltung ist kein Ponyhof und der Kreistag nicht die Spielwiese von irgendwelchen dahergewählten Hobbypolitikern. Anderenfalls würde uns womöglich noch die Erosion unseres Politikmodels drohen und vielleicht auch der Untergang des Abendlandes. Allerdings bin ich der Auffassung, dass es sich lohnt für unsere Demokratie zu kämpfen und deshalb habe ich mir mal die „die Lage“ des Haushalts von vor 10 Jahren angeschaut. Damals wurde noch ganz beschaulich unter „Einleitungen und Rahmenbedingungen“ durch den Landrat in seiner Rede eröffnet und die größte Sorge war folgende: „…die rot-grüne Landesregierung löst nicht die Finanzprobleme der kommunalen Familie. Sie verteilt nur den Mangel und zwar zu Lasten des ländlichen Raumes…“. Die kommunale Familie schien damals wie heute in keinem guten Zustand zu sein und darum möchte ich mit Ihnen einen Blick auf das Familienmitglied Kreis Borken werfen. Wie war es denn vor 10 Jahren und wie sieht es dagegen heute aus? Das Budgetvolumen betrug 2013 ca. 420 Millionen Euro und die Verwaltung ging von einem Defizit von 10 Millionen Euro aus (welches dann geringer ausfiel aber das ist eine andere Geschichte und soll hier erstmal keine Rolle spielen). Im Gegensatz dazu beraten wir heute über ein Budgetvolumen von ca. 690 Millionen Euro. Das ist eine Steigerung von satten 64 Prozent! Im Vergleich dazu ist der Bruttoverdienst von Arbeitnehmerinnen in Vollzeit im Durchschnitt nur um ca. 20 Prozent gestiegen. Die Geldsorgen der kommunalen Familie scheinen also geringer zu sein als vor 10 Jahren, aber wie ist es um unser Personal bestellt? Hier muss es doch katastrophal aussehen: Fachkräftemangel, Arbeitsüberlastung und immer mehr Aufgaben, das kann das Personal der kommunalen Familie doch nicht mehr leisten, oder?

Im Jahr 2013 hatte die Kreisverwaltung in Summe 781 Vollzeitstellen in ihrem Stellenplan vermerkt. Heute sind es 972 Stellen. Dies entspricht einem Zuwachs von immerhin 24 Prozent und bedeutet übrigens sowohl in 2013, als auch in diesem Jahr, Personalaufwendungen in Höhe von 11 Prozent der Ausgaben. Sie sehen also liebe Kolleginnen und Kollegen, sowohl die finanziellen Mittel haben sich massiv erhöht, als auch die Beschäftigtenanzahl ist ordentlich angestiegen in den letzten 10 Jahren.

Natürlich sind auch die Anforderungen und Leistungen in diesem Zeitraum gestiegen, keine Frage. Aber glauben Sie wirklich, dass die kommunale Familie keine Spielräume mehr hat und Standards auf das Leistbare abgesenkt werden müssen, wie es der Landrat fordert wenn Sie sich diese Zahlen vor Augen führen?
Ich denke nicht, denn wenn ich die Einschätzung teilen würde, müsste ich gleichzeitig auch Personalabbau und massive Einsparungen im Haushalt fordern. Es ist dem Landrat natürlich zugestanden hier als Mahner aufzutreten, doch glauben wir von der UWG / Stadtpartei – Fraktion das er die Lage – verzeihen Sie mir das kleine Wortspiel – zu schwarz sieht und deshalb möchte ich Ihnen erklären, warum wir trotz der Haltung des Landrates aber gerade wegen der Kompromissfähigkeit der CDU-Fraktion dem Haushalt zustimmen können. Denn zum Glück ist der Kreistag schlussendlich doch ein politisches Gremium und nicht nur ein Verwaltungsfanclub.

In der Kreisausschusssitzung in der vergangen Woche haben wir umfänglich die lange Liste der Änderungsanträge der Fraktionen beraten und ich weiß einigen Mitgliedern kamen die 3 Stunden Beratungen wie eine halbe Ewigkeit vor, zumindest war das dem ein oder anderen Gesichtsausdruck deutlich zu entnehmen. Da kann ich allerdings nur bedingt Verständnis für Ihre Leiden aufbringen und ich will Ihnen auch gerne erklären, warum wir von der Opposition mal mehr oder weniger nervig sind mit unseren Anträgen.
Am besten kann ich Ihnen das an dem Antrag zur Schaffung einer zusätzlichen Schulpsychologenstelle der UWG / Stadtpartei – Fraktion erläutern. Wir haben beantragt: „Die Verwaltung wird beauftragt die schulpsychologische Beratungsstelle um eine Vollzeitstelle für einen Schulpsychologin zu erhöhen“ (auch auf eigene Kreiskosten). Im Ausschuss haben alle Fachpolitiker*innen den Antrag begrüßt und auch die Verwaltung hat die inhaltliche Notwendigkeit bestätigt. Aber selber tätig werden wollte man nicht, sondern lieber beim Land anfragen, ob der Kreis nicht eine zusätzliche Stelle bezuschusst bekommen könnte. Super Sache: zusätzliche Stelle und auch noch kostenlos, also einstimmiger Beschluss und Fall erledigt!
Nun müssen Sie mir nachsehen, dass ich nicht immer so optimistisch bin, wenn Verwaltungen zu übergeordnete Stellen geschickt werden um Personal und Geld zu akquirieren. Auch sind meine Erfahrungen mit CDU-Mehrheiten da in den letzten 20 Jahren eigentlich mehr von Enttäuschungen, als von Erfolgen geprägt. Am Anfang meiner politischen Tätigkeit habe ich in meiner Naivität gedacht, ich müsse nur einen Antrag sachlich begründen und wenn die Notwendigkeit über die Fraktionsgrenzen erkannt würde, dann wird es so gemacht. Aber weit gefehlt!

Das Vorgehen aus früheren Jahren kennen Sie ja selber gut genug, die Opposition stellt einen vernünftigen Antrag, die Mehrheitsfraktion lehnt ab und stellt den Antrag nach ein paar Monaten oder zum nächsten Haushalt selber und dann geht er natürlich durch – der Klassiker!

Das macht man natürlich heute nicht mehr, da es einfach zu plump ist und dank des Internets recht leicht für jeden der es wissen will ersichtlich ist, wie die Abläufe wirklich waren. Positiv an diesem Vorgehen war natürlich, dass dem Antrag schlussendlich entsprochen wurde, immerhin.

Heute wird gerne eine andere Taktik angewandt um Anträge nicht ablehnen zu müssen und gleichzeitig einen vermeintlichen Kompromiss anzubieten. Man wirft eine Menge Fragen auf und beauftragt Verwaltungen mit irgendjemandem zu reden oder am besten ein Gutachten erstellen zu lassen. Damit gewinnt man Zeit und bestenfalls kann man dann einfach nach ein paar Monaten sagen: Es hat nicht geklappt, sorry. Aber es war wirklich eine gute Idee! Oder die ganze Angelegenheit fällt gleich dem Vergessen anheim, noch besser.
Dieses Vorgehen ist natürlich arbeitsaufwendiger aber dafür braucht man dem Antragsgegenstand nicht zu entsprechen. Deshalb ist auch immer so wichtig, dass die Anträge zurückgezogen werden und das dann natürlich auch in den Niederschriften vermerkt wird. Ich nenne das übrigens die „aus den Augen, aus dem Sinn – Methode“. Die klappt nicht nur in der Politik, sondern auch ausgezeichnet bei Kindern wie ich festgestellt habe, aber das nur am Rande.

Wie der Umgang mit etlichen Anträgen der Grünen, der SPD und von uns in den letzten Jahren gezeigt haben, wird dieses Verfahren aktuell von Ihnen angewandt und mit einigem Erfolg wie ich zugeben muss und genau aus diesem Grunde musste ich im Kreisausschuss noch einmal so deutlich zu der von uns beantragten Schulpsychologenstelle sprechen. Nicht um Sie von der Notwendigkeit und sachlichen Richtigkeit zu überzeugen, da sind wir uns einig! Nicht um dagegen zu sprechen, dass die Verwaltung die Finanzierung der Stelle beim Land organisiert, da sind wir uns auch einig! Sondern einzig und alleine für den Fall, dass es nicht klappt mit dem Land oder schlichtweg „vergessen“ wird. Für diesen Fall habe ich jetzt die Zusicherung vom Kreisdirektor, dass wir die Stelle dann selber schaffen und er kann sie sogar unterjährig aus den Poolstellen realisieren – klasse!

So oder so wird also dem berechtigten Ansinnen Rechnung getragen und das ist sehr gut für viele Kinder die gerade nach der langen Coronapandemie vermehrt mit psychischen Problemen zu kämpfen haben. Es sei denn, Sie von der CDU würden in dem Fall wenn der Kreisdirektor beim Land keinen Erfolg hat, die Stelle ablehnen. Das können Sie natürlich machen, aber dann würden Sie die Verwaltung im Regen stehen lassen und für die Kinder wäre das auch wirklich schlecht und Sie sähen in der Angelegenheit echt mies aus. Nicht so gut!

Um es kurz zu machen, genau aus diesen Gründen muss ich Sie einfach noch ein bisschen nerven und manchmal auch Emotionen wecken, da uns die Sache wichtig ist. Sicherlich wäre eine rein sachliche Diskussion mit einem einvernehmlichen Beschluss weniger anstrengend, aber das liegt ja ganz bei Ihnen und wie Sie zukünftig mit unseren Anträgen umgehen wenn wir uns inhaltlich doch eigentlich einig sind, oder?
Außerdem besteht ja auch die Möglichkeit, dass ich mich irre und Sie die Unterstützung der gemeinsam formulierten und abgeänderten Anträge insbesondere zum Klimaschutz wirklich ernst meinen und sie tatsächlich ordentlich umgesetzt werden. Zumindest habe ich diese Kompromissbereitschaft bei den Vertreter*innen der CDU – Fraktion in den gemeinsamen Arbeitskreisen zum Kompass 2035 und zum Klimaschutzkonzept erkennen können. Wenn Sie jetzt den Worten tatsächlich Taten folgen lassen, dann haben sich die Termine wirklich gelohnt und vielleicht muss ich Sie in Zukunft dann auch weniger nerven. Wir werden sehen und vielleicht finden wir im Herbst ja sogar gemeinsam eine vernünftige Lösung für den Umgang mit den unsinnigen RWE-Aktien.

Nun wissen Sie warum wir von der UWG / Stadtpartei – Fraktion dem Haushalt 2023 zustimmen können. Aber ich möchte es nicht versäumen Ihnen auch mitzuteilen, was es uns wirklich schwer macht und das ist das Gebaren unseres allerseits geschätzten Landrates Dr. Zwicker, oder wie ein Bekannter zu mir letztens sagte: König Kai der I.

Natürlich ist es anstrengend sich die ganzen Wortbeiträge und Änderungen der Fraktionen in den Arbeitskreisen zum Kompass und Klimaschutzkonzept anzuhören. Das verstehe ich ja durchaus und nachdem wir die erste Stunde dieser Termine überstanden hatten, ging es ja eigentlich auch ganz gut voran. Was ich aber überhaupt nicht verstehe ist die Uneinsichtigkeit in der Angelegenheit „Neujahrsempfang des Kreises Borken“!

Zum einen ist es völlig klar, dass der Landrat hier einfach das nötige Fingerspitzengefühl hat fehlen lassen und ich nach wie vor davon überzeugt bin, dass das entweder ganz bewusst oder aus einem übersteigerten Selbstverständnis heraus als CDU-Veranstaltung geplant war. Da der Landrat in der Sitzung am 15. Dezember auf Nachfrage eben NICHT den Titel des Vortrags von Herrn Spahn nennen konnte glaube ich, dass er nachträglich angepasst wurde und natürlich war dann nach der Absage durch Grüne, SDP und UWG / Stadtpartei der Vortrag auch entsprechend „staatstragend“ und politisch entschärft.
Wie das Ganze ohne die Einwände der Opposition ausgesehen hätte, konnten wir dann ja vor drei Wochen beim DRK-Empfang beobachten, welcher ebenfalls zu einem CDU-Fantreffen umfunktioniert wurde. Dazu titelte die Zeitung sehr treffend:

„Die Politisierung des Herings!“

Aber natürlich ist das alles nah an der Majestätsbeleidigung und der Landrat hat uns im Kreisausschuss ja schon angekündigt, dies sei seine ureigenste Angelegenheit und für künftige Empfänge würde er uns aller höchstens im Vorfeld mitteilen wen er einzuladen gedenke und welche Themen auf die Agenda kämen, basta!

Ich versichere Ihnen wir werden das untertänigst entgegen nehmen und Sie weiterhin konstruktiv kritisch und vielleicht auch ein bisschen emotional begleiten, aber immer als gute Demokraten das darf ich Ihnen versichern.

Sie fragen sich jetzt vielleicht, ob ich oder doch ein Programm diese ganzen Unverschämtheiten aufgeschrieben hat und mir bleibt leider nichts mehr, als Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit zu danken!

Jörg von Borczyskowski – ChatGPT – Human vs. Open AI
Vorsitzender UWG/Stadtpartei-Fraktion im Kreistag des Kreises Borken


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